Lass’ mal (wieder) erneuern

Es ist wieder soweit: Eine große deutsche Volkspartei wagt die „Erneuerung“. Diesmal nicht die SPD, sondern die CDU. Aber, wie neu darf’s wirklich sein?

  • [authors]
    Simeon Laux
  • [tags]
    Kolumne
    Wahljahr 2021
    CDU
  • [meta]
    15.10.2021

Neustart, Erneuerungsprozess, Neuanfang, Generationenwechsel, ein „neuer Sound“. Vielfältige Beschreibungen, die gerade in Umlauf sind und das beschreiben sollen, was die CDU in den nächsten Wochen und Monaten anstrebt: Ein wirklicher Umbruch soll her. Ob das glaubhaft ist, darf angezweifelt werden. Immerhin sollte schon 2018 alles anders werden. Damals löste Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) Angela Merkel nach mehr als 18 Jahren als Parteivorsitzende der CDU ab – die Christdemokrat:innen erhofften sich neuen Schwung für die Partei. Das Profil der CDU sollte geschärft, wieder konservativer werden, nach dem Merkel die CDU nach Meinung vieler Anhänger:innen zu weit in die Mitte des politischen Spektrums und in Richtung der Sozialdemokratie gerückt hatte. Funktioniert hat das damals nur bedingt. Nur gut ein Jahr nach ihrer Wahl erklärte AKK schon wieder ihren Rücktritt als Bundesvorsitzende. Dann kam Corona. Und dann Armin Laschet. Der Rest ist bekannt.

Jetzt aber wirklich

Nachdem die Union bei der Bundestagswahl mit mageren 24,1 Prozent und damit einem historisch schlechten Ergebnis von den Wähler:innen abgestraft wurde, soll der Neustart diesmal aber wirklich kommen. Darüber scheinen sich in der Partei mittlerweile alle einig zu sein. Selbst der aus 41(!) Personen bestehende Vorstand hat sich zusammengerauft und einstimmig beschlossen, man möge das Gremium beim nächsten Parteitag komplett neu wählen. Eine demonstrative Geste, die den Neubeginn unterstreichen soll, ist das allemal, aber ob das ausreicht? Das hängt auch davon ab, wer auf dem kommenden Parteitag in den Bundesvorstand gewählt wird und ob sich die üblichen Verdächtigen (u. a. Julia Klöckner, Volker Bouffier und Herbert Reul) wieder aufstellen oder ob sie tatsächlich der nächsten Generation den Vortritt lassen. Dann wird es nicht reichen, nur einzelne junge Parteimitglieder wie Wiebke Winter oder Laura Hopmann in den Vorstand zu wählen – symbolisch für diese jungen Menschen, die es ja auch noch gibt.
Die eingangs schon erwähnte AKK (derzeit Bundesverteidigungsministerin) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier machen vor, wie es gehen kann: Beide verzichten auf ihr Bundestagsmandat und überlassen Jüngeren ihren Sitz im Parlament. Dass die beiden in der nächsten Regierung aller Voraussicht nach keine Rolle mehr spielen und vermutlich zu Hinterbänkler:innen degradiert würden, dürfte ihnen diese Entscheidung leichter gemacht haben.

Bitter nötig hat die Partei so einen Neustart in jedem Fall. Nach den aktuellsten Umfragen verliert die Union weiter an Zustimmung und landet jetzt bei nur noch 19 Prozent (ZDF Politbarometer). Es scheint, als hätten SPD und CDU die Rollen getauscht: Zustimmungswerte unter 20 Prozent waren in den letzten Jahren doch eigentlich die Spezialität der SPD. Die kennt sich mit Erneuerung und Personalrochaden ja bestens aus, kann sich nach der Wahl aber auf stabilen 28 Prozent ausruhen. Vielleicht holt sich die CDU einfach ein paar Tipps bei den Sozialdemokrat:innen. Deren Ideen haben sie in diversen GroKos hier und da ja auch schon für sich beansprucht.

Männer, Männer, Männer

Und auch der Vorsitz der Partei soll bekanntlich neu gewählt werden. Armin Laschet, derzeit nicht einmal neun Monate im Amt, konnte sich mit Unterstützung einiger Partei- und Schwesterparteifreund:innen dann doch dazu durchringen, seinen Rückzug anzukündigen. Auch, wenn der nur schrittweise erfolgen wird. Denn Laschet klammert sich auch weiterhin an das letzte bisschen Macht, das er noch hat und will den Übergang „moderieren“, wie er das nennt. Also den Weg bereiten hin zum Neustart, zum Generationenwechsel, zur Erneuerung – ihr wisst schon. Laschet soll quasi die Generalsanierung der CDU einleiten. Ausgerechnet der Mann, den alle als den großen Verlierer und Schuldigen dieser Wahlniederlage ausgemacht haben. Irgendwie schräg.

Schräg ist auch, wer in CDU-Kreisen als neuer Vorsitzender gehandelt wird und damit für den vollmundig angekündigten Neustart stehen könnte. Unter anderem Altbekannte wie Friedrich Merz, Norbert Röttgen und Jens Spahn, die alle drei schon zur Wahl standen. Merz sogar schon zweimal. Dass er einen dritten Anlauf nicht ausschließt, zeugt von Standhaftigkeit. Oder auch einfach von maßloser Selbstüberschätzung. Und auch Spahn, selbst erst 41 Jahre alt, steht nach fast 20 Jahren als Mitglied des Bundestages nicht unbedingt für frischen politischen Wind.

Noch dazu werden bislang nur Männer genannt. Eine Frau, die auf Laschet folgen könnte, scheint für die CDU undenkbar. Ohnehin hat die Partei ganz offensichtlich ein Problem mit Frauen. Sie sind nicht nur in Führungspositionen, sondern in der gesamten Partei deutlich unterrepräsentiert. Mit 23,5 Prozent ist nicht mal ein Viertel der neuen Bundestagsfraktion mit Frauen besetzt. Im Vergleich zur vorherigen Wahl sind das gerade mal drei Prozent mehr. In der CDU insgesamt sieht es nicht viel besser aus, nur 26,5 Prozent aller Parteimitglieder waren Ende 2019 Frauen. Annegret Kramp-Karrenbauer hat zwar in ihrer Zeit als Vorsitzende eine Frauenquote auf den Weg gebracht. Ob sie auch tatsächlich kommen wird, ist unklar. Bislang gibt es dafür lediglich einen Vorstandsbeschluss, die Abstimmung auf einem Parteitag steht noch aus. Und ob der Männerclub CDU Lust darauf hat, ab 2025 von der Kreisebene an aufwärts Vorstände und die Listen für Bundestags-, Landtags- und Europawahlen paritätisch zu besetzen, darf aus Gründen angezweifelt werden.

Offen bleibt also auch weiterhin, wie neu die Erneuerung tatsächlich wird. Abschließend noch eine kleine Handreichung: Das Verb erneuern definiert der Duden wie folgt: „Altes, Verbrauchtes gegen Neues auswechseln“. Das darf die Partei nicht nur beim Personal, sondern gerne auch programmatisch und darüber hinaus wörtlich nehmen.