Die grüne Lüge

Angesichts der Notwendigkeit, für unser Überleben das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, sind die grünen Forderungen nicht radikal genug für Regierungsverantwortung im Bund. Das gilt zwar ebenso für SPD und CDU, doch will uns die Grüne weißmachen, dass konsquente Klimapolitik mit der jetzigen Wirtschaft vereinbar ist.

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    Katharina Gebauer
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    Kolumne
    Wahljahr 2021
    Die Grüne
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    06.09.2021

Die Grüne ist eine opportunistische Partei, die altes und neues Bürgertum hinter sich vereinen will und eine grüne Industriegesellschaft plant, die unsere Erde zerstören wird. Was für einige keine big news ist, führt bei anderen zu verspätetem Hoffnungsverlust; jenen, die noch hofften, unter einer grünen Regierungsbeteiligung würde sich Grundlegendes ändern. Je näher wir der Bundestagswahl (26. September everyone, macht euer Kreuzchen!) kommen, desto deutlicher wird: Die einstige Protestpartei wird das Versprechen einer zukunftsfähigen Gesellschaft nicht einhalten, sollte sie Teil der nächsten Koalition werden. Und dabei spreche ich nur(!) von der Klimapolitik.

Im ersten TV-Triell Ende August mit Baerbock, Scholz und Laschet - den Kanzler:innen-Kandidat:innen von Grüne, SPD und CDU - sprachen alle drei über Klimaschutz. Doch mit keinem der Wahlprogramme lässt sich das 1,5-Grad-Ziel von Paris erreichen. Verwirrend, lese ich in Magdeburg doch grüne Wahlplakate wie "Am Klimaziel führt kein Weg vorbei.". Ein Bild aus dem singenden Wahlkampfspot , über den sich kürzlich zu Recht lustig gemacht wurde, zeigt ein Bild, das auch für die CDU stehen könnte: Vier Menschen um einen Grill, im Sommer, lecker Fleisch gehört selbstverständlich dazu. Immerhin: Zwei Maiskolben sind auch dabei.

Allein das Kapitel eins, “Lebensgrundlagen schützen”, aus dem Wahlprogramm der Grünen will mit dem Versprechen “Wir schaffen klimagerechten Wohlstand” Wirtschaftswachstum von menschlichem Ressourcenverbrauch entkoppeln. Die wissenschaftliche Grundlage dafür fehlt zwar, aber Kapitalismuskritik schreckt beim konservativen Bürgertum nur ab.

Werfe ich einen Blick auf Landesparlamente mit grüner Regierungsbeteiligung, ist die Bilanz bisher ernüchternd. Drei traurige Beispiele: In Baden-Württemberg regiert der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der 2020 während der Coronapandemie eine Kaufprämie auf Dieselfahrzeuge und Benziner forderte. Bis 2017 regierten die Grünen in NRW, wo der RWE-Tagebau wichtiger schien als der Hambacher Forst. Und in Hessen standen die Grünen nicht nur hinter der Polizeigewalt gegen Aktivist:innen, die im Danni gegen die Autobahn A49 für den Erhalt des Mischwaldes protestierten, sondern gaben ihnen auch die Schuld an der Eskalation der Cops, die für schwerverletzte Klimaschützer:innen verantwortlich waren.

Anfang 2020 öffnete sich durch die Ursachen und Konsequenzen der Coronapandemie ein Vakuum möglichen Umdenkens unseres Wirtschaftens: Schluss mit dem Immer-Weiter-So, in dem der Profit einiger Weniger über der naturgegebenen Endlichkeit an Ressourcen steht. Aber der Ruf nach einer fairen Bezahlung systemrelevanter Berufe wurde mit Klatschern vom Balkon zum Verstummen gebracht und die Grünen nutzten ihre Chance einer fundierten Gesellschaftskritik nicht.

Dass CDU und SPD nur zu inkonsequenter Klimapolitik fähig sind, ist lange kein Schocker mehr - überschneiden sich die Interessen von Unternehmen, in deren Aufsichtsratsposten sich Politiker:innen nach ihrer Bumdestagskarriere nur zu gerne fallen lassen, mit denen des Klimas bekanntlich eher weniger. Eine selbsternannte Klimapartei aber, die eine Klimawahl 2021 ausruft und als Alleinstellungsmerkmal gegenüber den anderen bürgerlichen Parteien “richtige Klimapolitik” machen will, die muss auch liefern, um für mich wählbar zu sein.

Dafür müssen die radikalen und kritischen Stimmen innerhalb der Partei lauter werden und die notwendigen Systemfragen stellen. Innerhalb unserer kapitalistischen Produktionsweise werden wir es aus der Klimakrise nicht herausschaffen.

Wer innerhalb einer als Anti-Establishment gegründeten Partei aus der Opposition raus will und das Ziel hat, 2021 endlich mitzuregieren, muss wohl zu Realpolitiker:innen verkümmern. Für den Erhalt unserer Zukunft reicht das jedoch nicht aus.